Die CD im Kaffeehaus wird irrtümlich in den Schacht ge-wandert sein: 'Last Christmas', dann 'Amazing Grace' orchestral und vom Chor der Urschreigruppe. Bitte, es ist Oktober, und ich werd eh so leicht sentimental. 'Amazing Grace' vertrage ich überhaupt nur auf meinem Handy, wo es als Protest gegen die Abreibungspolitik des Vatikans läutet. Manchmal hebt Er ab, meistens nicht. Der Theorielehrer in der Fahrschule trägt den Siegelring König Arthus' und seinen schweren Goldarmreif, Fake-Versace-Schlips mit Ketterl über rotgestreiftem Hemd mit Weißkragen und Dschungelmuster-Brille. Platin-schnallenschuhe. Läßt die Haare färben. Fragt kokett: "Was schätzen Sie, wie alt ich bin?" Falsche Antworten erkennt man sonst an: "Sie sind tot." In der U-Bahn studiert der Anfangsvierziger, der aus-sieht wie ein Endfünfziger und keine Frau abgekriegt hat - er reist mit seiner Mutter rechts - den Schaltplan eines nicht mehr erhältlichen Tonbandgerätes. Beim jungen Paar mir gegenüber liest er die Zeitung für sie und gibt jedes Detail brühwarm weiter. Sie diskutieren, wie der Begriff "sanfter Tourismus" zu verstehen ist. Der Freund einer Bekannten studiert neuerdings Gender Studies kombiniert mit Afrikanistik. Ich betrete den begehbaren Humidor und nehme ein paar Zigarren mit, obwohl es keinen Nachwuchs gibt.